Carbon Capture

Verbot der Kohlendioxidlagerung soll fallen

Nachhaltigkeit
20.06.2024

Eine noch vertrauliche Machbarkeitsstudie im Auftrag des Klimaschutzministeriums, die der Redaktion der Bauzeitung vorliegt, befasst sich mit dem Aufbau eines Pipeline-Netzes für CO₂. Brisantes Detail: Das Verbot zur Lagerung dürfte fallen.
Rohdorfer Zement Standort Gmunden

Im Herbst 2026 soll es soweit sein. Dann soll sie in Betrieb gehen. Als erste Anlage ihrer Art in Österreich. Die Rede ist von der ersten CO₂-Rückgewinnungsanlage im großtechnischen Maßstab in der heimischen Zementindustrie, die am Standort Gmunden des Herstellers Rohrdorfer errichtet wird. Mir ihr sollen 30.000 Tonnen CO₂ pro Jahr rückgewonnen werden.  

Experten sprechen hier von „CO₂-Abscheidung“ oder „Carbon Capture“. Dabei wird das CO₂, das bei der Produktion entsteht, aus der Luft gefiltert und verflüssigt. Anlagen wie diese werden in Zukunft eine große Bedeutung bekommen. In ihrer Roadmap zur CO₂-Neutralität bis zum Jahr 2050 hat die österreichische Zementindustrie dargelegt, mit welchen Maßnahmen sie dieses Ziel erreichen will: 44 Prozent der CO₂-Reduktion soll durch Carbon Capture erzielt werden. Und die Zementbranche ist nicht die einzige Industrie, die große Mengen an Kohlendioxid produziert – zu den führenden Emittenten zählen auch die Hersteller von Kalk und Feuerfestprodukten sowie die Müllverbrennung.

Wohin mit dem Kohlendioxid?

Zu den Vorreitern bei dieser Technologie zählt auch der Zementhersteller Holcim. Er plant an seinem Standort in Mannersdorf, 750.000 Tonnen CO₂ pro Jahr abzuscheiden. Es gibt nur eine große offene Frage: „Wohin mit dem zurückgewonnenen Kohlendioxid?“, so Joseph Kitzweger, Director Carbon Capture Utilization and Storage bei Holcim Österreich. Als Antwort auf diese Fragen stehen technologisch zwei Lösungen zur Verfügung. Die eine laut „Carbon Capture and Utilization“ (CCU), die andere „Carbon Capture and Storage“ (CCS).

Kommt die Kohlendioxid Pipeline?

Wer des Englischen mächtig ist, ahnt, worum es geht. Im Fall von CCU wird das zurückgewonnene CO₂ verwendet, um daraus neue Produkte herzustellen, beispielsweise Kunststoff. Im Fall von CCS wird das CO₂ gelagert – und zwar genau dort, wo man es bei der Förderung von Öl und Gas zuvor vorgefunden hatte: in den porösen Gesteinsschichten weit unter der Erdoberfläche oder unter dem Meeresspiegel. „Oberhalb dieser Lagerstätten befindet sich eine Tonschicht, die über Millionen von Jahren verhindert hat, dass das CO₂ entweichen konnte“, erklärt Holcim-Experte Kitzweger. „Diese Tonschicht ist nach wie vor vorhanden. Sie kann nun genutzt werden, um die neuen Lagerstätten für das abgeschiedene Kohlendioxid zu versiegeln.“

In der Nordsee und im Mittelmeerraum wird bereits intensiv an der Errichtung derartiger Lagerstätten gearbeitet. Die Erste soll 2025 vor der norwegischen Küste in Betrieb gehen. Die Firma „Northern Lights“ will im großen Stil Treibhausgase im Meeresboden lagern und bewirbt ihre Dienste bei den Nordsee-Anrainerstaaten. Auch für die österreichische Industrie ist das interessant.

Doch auch hier stellt sich eine nicht ganz unwesentliche Frage: Wie kommt das CO₂ bis zu den Lagerstätten unter dem Meeresgrund? Die Antwort ist kurz: Pipelines. Derzeit wird fieberhaft an der Konzeption eines transeuropäischen CO₂-Pipeline-Netzwerks gearbeitet. Auch in Österreich befasst man sich, von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, damit. Das Klimaschutzministerium (BMK) hat im vergangenen Herbst das Austrian Institute of Technology (AIT) beauftragt, eine Machbarkeitsstudie für ein CO₂-Pipeline-Netz zu erstellen.

Brisante Machbarkeitsstudie

Das Ergebnis dieser Studie ist bisher nicht veröffentlicht. Die Zusammenfassung liegt der „Bauzeitung“ aber exklusiv vor. Das AIT schlägt eine „Ost-West-Verbindung zwischen Niederösterreich und Oberösterreich sowie einer Nord-Südverbindung zwischen Oberösterreich und Kärnten über die Steiermark“, mit einer Kapazität zwischen 5 und 20 Millionen Tonnen pro Jahr – je nach Szenario. Die Kosten für die Errichtung sind stattlich. Sie werden auf 5 Milliarden Euro geschätzt.

Neben den Kosten enthält die Machbarkeitsstudie eine weitere brisante Nachricht. Selbst, wenn man in Österreich unverzüglich mit dem Aufbau des Netzes beginnen würde, wäre eine Anbindung an das transeuropäische Netz erst zwischen 2033 und 2037 möglich. Bis dahin braucht es eine Zwischenlösung. Das Kohlendioxid muss in Österreich gelagert werden. Experten schätzen, dass hierzulande rund 100 Millionen Tonnen CO₂ in unterirdischen Lagerstätten untergebracht werden könnten. Es gibt nur einen Haken. Bislang ist die Lagerung von CO₂ in Österreich gesetzlich verboten. In der Machbarkeitsstudie des AIT gibt es dazu eine klare Aussage: In zwei von vier Szenarien ist die Lagerung in Österreich vorsehen. „Wenn wir energieintensive Industrien in Österreich halten wollen, benötigen wir die CCUS-Technologie“, meint Sebastian Spaun, Geschäftsführer der Vereinigung der Österreichischen Zementindustrie. Nachsatz: „Und um diese zu nutzen, müssen wir die Lagerung von CO₂ für eine Zwischenzeit ermöglichen und rasch mit dem Aufbau der CO₂-Pipeline beginnen.“

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