Solar & Photovoltaik

Die Fassade als Solar-Kraftwerk

Gebäudeintegrierte Solartechnik
07.06.2024

Die bauwerkintegrierte Photovoltaik (BIPV) an großen Fassaden bietet neben dem solaren Ertrag auch gleichzeitig einen guten Sonnen- und Wärmeschutz und kann für kreative Architektureffekte sorgen.

Die bauwerkintegrierte Photovoltaik (kurz BIPV, building-integrated photovoltaics) ist eine Schlüsseltechnologie auf dem zukünftigen Energiemarkt. Solaraktive Flächen sind vorhanden, das Fachwissen über die BIPV-Technologien ist jedoch noch wenig verbreitet und bei vielen Architekten und Planern fehlt die Akzeptanz sowie das Wissen, wie mit solaraktiven Modulen gebaut werden kann.

Meistens sieht man Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) auf Dachflächen. Doch es ist genau so möglich, sie an Gebäudefassaden zu montieren oder die Solarmodule in diese zu integrieren. Zwar ist laut Experten der Ertrag insgesamt geringer als der Solarstrom vom Dach, doch die senkrechte Montage am Gebäude bringt auch Vorteile mit sich. So können die Solarmodule der PV-Fassade gleichzeitig die Funktion einer klassischen Gebäudebekleidung übernehmen und gleichzeitig auch als Sonnen- oder Wärmeschutz dienen. Für Gebäudeeigentümer bieten BIPV-Fassaden zusätzlich die Chance, die energetischen Gebäuderichtlinien zu erfüllen und einen signifikanten Beitrag zur Energiewende zu leisten. Bisher sind Photovoltaik-Fassaden hauptsächlich im Zusammenhang mit großen Bürogebäuden bekannt. Meist handelt es sich dabei um gebäudeintegrierte PV-Anlagen. In diesem Fall wird die PV-Anlage nicht an der Fassade befestigt, sondern in diese integriert – die PV-Module bilden also teilweise die Fassade selbst.

PV-Fassaden trumpfen auf

Ein Vorteil von vertikalen Solarfassaden dieser Art liegt darin, dass eine große Fläche, eben die Gebäudewand, für die Montage zur Verfügung steht. Auch besteht meist ein größerer Spielraum bei der Ausrichtung der PV-Anlage, da häufig mehrere Hauswände als Photovoltaik-Fassaden infrage kommen. Besonders ertragreich sind die Solarfassaden auf hohen Wohn- oder Bürogebäuden mit viel tiefstehender Sonneneinwirkung.

Aufgrund der senkrechten Montage fällt im Winter, wenn die Sonne tiefer steht, ein größerer Teil der Sonnenstrahlung auf eine Photovoltaik-Fassade, als es bei einer PV-Dachanlage der Fall ist. Somit kann der Ertrag an Solarstrom bei einer Photovoltaik-Fassade im Winter im Vergleich höher ausfallen. Über das gesamte Jahr hinweg ist der Ertrag einer PV-Fassade jedoch geringer als bei gleich großen auf dem Dach montierten Solarmodulen. Detail zur Optik: Solarmodule sind bis zu einem gewissen Maße selbstreinigend. Schnee und Schmutz lagern sich nur geringfügig darauf ab, was in den meisten Fällen die regelmäßige Reinigung der Solarmodule überflüssig macht.

Nicht zuletzt stehen mittlerweile Hausbesitzern, die sich für eine PV-Fassade entscheiden, viele Gestaltungsmöglichkeiten offen. Es sind Solarmodule in unterschiedlicher Lichtdurch-lässigkeit, verschiedenen Einfärbungen und diversen Formen erhältlich. Dadurch lassen sich moderne Fassaden von Gebäuden gestalten, bei denen ästhetische Aspekte nicht hinter funktionalen zurückzutreten brauchen.

Wo PV-Fassaden nicht so glänzen

Ob eine Photovoltaik-Fassade wirtschaftlich arbeitet, muss im Einzelfall genau berechnet werden. Der Wirkungsgrad von Photovoltaik-Fassaden ist um etwa 20 bis 30 Prozent geringer als der Wirkungsgrad vergleichbarer Dachanlagen. Diese Differenz kann auch der etwas höhere Ertrag einer Photovoltaik-Fassade im Winter normalerweise nicht ausgleichen. Die Kosten für eine Fassaden-PV-Anlage sind ebenfalls höher. Das liegt hauptsächlich daran, dass die Montage oder sogar bauliche Integration bei einer Photovoltaik-Fassade komplexer ausfällt als bei einer Dach-PV-Anlage. Ungeachtet dessen können Photovoltaik-Fassaden wirtschaftlich lohnend sein. Entscheidend sind dafür die zur Verfügung stehende Fläche und die mögliche Ausrichtung. Ein Solarexperte, der das auszustattende oder zu errichtende Gebäude begutachtet, gibt hier Aufschluss, indem er alle wichtigen Faktoren in seine Auswertung einbezieht.

Am einfachsten und häufig auch am günstigsten fällt eine PV-Fassadenanlage aus, wenn sie bereits bei der Planung eines Neubaus mitbedacht wird. Es ist möglich, PV-Module an der Fassade bereits bestehender Gebäude nachzurüsten. Wie einfach das ist und wie die Kosten dafür ausfallen, hängt von der Bauart des Gebäudes ab. Je älter ein Gebäude ist, desto schwieriger wird die Montage in der Regel, was höhere Kosten verursacht. Bei der Solarstromgewinnung mittels Hausfassaden ist es besondere wichtig, dass keine aktuell zu starken Verschattungen vorliegen oder zukünftig (etwa durch wachsende Bäume) vorliegen werden.

Kreativ mit farbigen Solarzellen

Die bauwerkintegrierte Photovoltaik muss sich architektonisch in die umgebende Baukultur einfügen. Diese Anforderungen haben die Modulhersteller längst berücksichtigt, allerdings ist das noch weitgehend unbekannt. Viele denken immer noch an blau schillernde und silbrig gerahmte Module. Doch diese Zeit ist vorbei. Das BIPV-Angebot hat sich deutlich verbessert. Heute sind farbige und bedruckte Module in individuellen Formaten verfügbar und die Erträge der Solarzellen konnten deutlich gesteigert werden.

Man kann es kaum glauben, doch die ersten Projekte mit bauwerkintegrierter Photovoltaik sind etwa 40 Jahre alt. Obwohl in dieser Zeit viele Erfahrungen gesammelt werden konnten, sich das Produktangebot und die technischen Voraussetzungen deutlich verbessert haben, findet ein breitenwirksamer Einsatz bis heute nicht statt. Doch vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen im Rahmen der Umwelt- und Klimapolitik stehen die Zeichen für eine zunehmende Verwendung jetzt günstig. Mehr als je zuvor rückt nunmehr die Nutzung der Gebäudehülle zur Stromerzeugung in den Fokus.

Mit seinem Büroneubau in Stuttgart hat der Bauherr seinem Anspruch „nachhaltig, digital, wirtschaftlich“ visuell Ausdruck verliehen und das Gebäude nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip umgesetzt und zeigt somit, was Energie-Plus-Architektur heute kann. Mit einer schlanken Hochleistungsfassade mit einer gebäudeintegrierten Photovoltaik (BIPV). Entsprechend des Nachhaltigkeitsanspruches des Bauherrn wurden weitgehend Baumaterialien eingesetzt, die dem Cradle-to-Cradle-Konzept entsprechen.

BIM für Nachhaltigkeit und Vorfertigung

Die beim Objekt eingesetzten Baumaterialien wurden auf der Grundlage des BIM-Modells detailliert in einem Materialpass dokumentiert. „Durch das BIM-Modell wissen wir genau, welche Module mit welchen Stoffen wir an welchen Stellen im Gebäude verbaut haben. Dieses digitale Gedächtnis ist damit auch Grundvoraussetzung für mehr Nachhaltigkeit“, erklärt der Senior TGA-Experte des Bauherrn.

Die digitale Planung ermöglichte zudem einen hohen Vorfertigungsgrad der modularen Fassade und eine zeit- und kostensparende Serienmodulfertigung. Trotz ihrer technischen Komplexität konnte die Gesamtfassade in nur zweieinhalb Wochen montiert werden. Insgesamt liegt das Gebäude mit zwei Jahren Bauzeit und 22 Millionen Euro im Zeit- und Kostenrahmen und ist eine Blaupause für effiziente gewerkeübergreifende Zusammenarbeit im Sinne eines nachhaltigen Gesamtkonzepts.

Die Fassade kombiniert Highend-Wärmedämmung mit Schallschutz und besteht aus nach-haltigen Materialien in mehreren, hochdämmenden Schichten. Die dafür von Schüco konstruierten Aluminiumprofile in 90 Millimeter Bautiefe nutzen die Innenkonstruktion mit thermischen Trennstegen, Dichtungen und Dämmung auf Basis des Aluminium-Fenstersystems AWS 75. Ebenfalls genutzt werden konnte das Dichtungs- und Kopplungssystem der Elementfassadenserie USC 65. Als Plusenergiehaus ist der Neubau so konzipiert, dass im Betrieb mehr Energie erzeugt als verbraucht wird. Die Energiegewinnung erfolgt über Erdwärme- und Luftwärmepumpen sowie über Photovoltaikelemente auf dem Dach und integriert in Fassaden- sowie Verglasungselemente.

BIPV in transparenten und opaken Flächen

Mit der BIPV von Schüco werden auf knapp 700 Quadratmetern Fassadenfläche in der Süd- und Westseite des Gebäudes rund 70 Megawatt-Stunden Ertrag im Jahr gewonnen. Das sind rund 40 Prozent des PV-Ertrages. Eingesetzt wurden sowohl transparente dreifach-Isolierglas-BIPV-Module mit monokristal-linen schwarzen Zellen als auch monokristalline schwarze BIPV-Glas-Glas-Module, als opake Elemente vorgesetzt vor die Hauptfassade.

„Eine Herausforderung war die Auflage, wegen der Verkehrssicherheit die natürliche Spiegelung der PV-Module entlang der Autobahn zu reduzieren“, sagt der leitende Projektingenieur für BIPV bei Schüco. „Wir haben dann schließlich ein spezielles Deckglas gefunden, das durch seine außergewöhnliche Oberflächenstruktur die Reflektion deutlich abmindert und die behördlichen Vorgaben erfüllt.“ Ein interessanter Nebeneffekt ist, dass der Solarenergie-Ertrag durch dieses Spezialglas um teilweise bis zu drei Prozent gesteigert wird.

Mit Blick auf die hohen Energiepreise und den entsprechenden Abhängigkeiten bei der Energieversorgung, sollte der verstärkte Einsatz von BIPV weit oben auf der Agenda von Architekten, Planern und Gebäudenutzern stehen. Für Metallbauer kann es sich also lohnen, einen genauen Blick auf die Entwicklungen sowie das breite Einsatzspektrum von BIPV zu „riskieren“.

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