Architektur

Ein Wahrzeichen aus Beton

Architektur
20.11.2023

Am 6. Dezember 2023 wird das Wien Museum am Karlsplatz wieder eröffnet. Das Warten hat sich gelohnt. Wien hat ein neues Wahrzeichen aus Beton.

Der Mitarbeiter von Georg Wieder war leicht konsterniert: Er hatte erstklassige Arbeit geleistet. Die Maße passten, die Oberflächen waren glatt – alles wie es sich gehört. Dann kam ein Kollege mit einem Hammer und begann auf die nagelneuen Betonfertigteile einzuschlagen. „Da hatte ich erst einmal Erklärungsbedarf“, erinnert sich der Geschäftsführer der niederösterreichischen Betonfertigteil-Herstellers Alfred Trepka. Ob seine Erläuterungen gefruchtet haben, ist nicht überliefert. Klar ist allerdings: Der Mann mit dem Hammer handelte im Auftrag des Chefs. Er schlug behutsam vertikale Grate in die Oberfläche, sodass sie eine ganz besondere, handgezeichnete Struktur bekam. 

Diese handwerkliche Meisterarbeit ist nun auf der Fassade des Wien Museums am Karlsplatz zu bewundern – und zwar genau genommen auf einer massiven Aufstockung aus Beton, die das denkmalgeschützte Haus im Zuge der umfangreichen Revitalisierung erhalten hat. Bei dieser Aufstockung handelt es sich aus Sicht von Wolfgang Salcher, den stellvertretenden Landeskurator für Wien beim Bundesdenkmalamt, eher um eine „Überschwebung“.  Wie immer man sie nennt – die wuchtige Betonstruktur mit den feinen handgeschlagenen Linien fällt auf. Wien hat ein neues „Wahrzeichen Beton erhalten“, findet Christoph Ressler vom Beton Dialog Österreich. 

Auch Denkmalschützer Salcher zeigt sich von dem Ergebnis der gesamten Revitalisierung mehr als angetan: „Die Wahl des Architekten war ein echter Glücksgriff. Ich bin begeistert über das Ergebnis der Arbeiten.“ Bei den Architekten handelt es sich um die ARGE Certov, Winkler+Ruck Architekten. Sie hatten den Auftrag, das denkmalgeschützte Gebäude mit besonderem Blick auf die Nachhaltigkeit zu revitalisieren und zu erweitern. 

Doppelt so viel Fläche

Das Originalgebäude wurde vom Architekten Oswald Haerdtl entworfen und 1959 eröffnet. „Bestandsobjekte unter Berücksichtigung der heutigen Baunormen umzubauen, verursacht eine weitaus geringere CO2-Belastung als ein Neubau“, stellt Kurator Salcher fest. „Die Qualität des Siegerentwurfes liegt auch darin, dass die Erweiterungen das bestehende Gebäude möglichst minimal tangierten. Statisch betrachtet schweben die neuen Obergeschoße über dem ursprünglichen Haerdtl-Bau.“ 

Das Gebäude wurde um zwei neue Geschosse erweitert – ein Fugengeschoss mit einer Glasfassade und einer Aussichtsterrasse und das bereits erwähnte Schwebegeschoss in Form eines Betonkubus, der bereits aus großer Entfernung gut sichtbar ist. Das Museum hat sechs neue Räume erhalten (siehe Infokasten). Die Nettonutzfläche verdoppelte sich fast von 6.900 auf 12.000 Quadratmeter. Damit ist nun ausreichend Platz für Sonderausstellung und um gleichzeitig die neue Dauerausstellung zu präsentieren, die in den vergangenen Jahren parallel zu den Umbauarbeiten entwickelt worden ist. Die gute Nachricht für die potentiellen Besucher: Der Eintritt in die Dauerausstellung ist kostenlos. Ab 6. Dezember, mit der feierlichen Wiedereröffnung des Museums, ist sie zu bewundern. 

Dabei werden die anerkennenden Blicke sicher auch auf die Architektur fallen. Denn das neue, runderneuerte Haus am Wiener Karlsplatz macht nicht nur von außen Eindruck, sondern sorgt auch im Innern für einen bleibenden Eindruck. Eine bedeutende Rolle nimmt dabei der Baustoff Beton ein. In der großzügig dimensionierten zentralen Halle fallen die feingliedrig gegossenen Wände aus Sichtbeton ebenso ins Auge wie das „hängende“, zum Obergeschoss führende Stiegenhaus, das im Raum zu schweben scheint: Der gesamte Baukörper kommt ohne sichtbare Stützen aus. Die Fassade trägt als Glaskonstruktion nur sich selbst.

Das Geheimnis des Schwebens der Aufstockung liegt in den Baustoffen Beton und Stahl. So trägt und stützt der Beton die enormen Kräfte durch den Innenhof vertikal ins Erdreich ab – eine Leistung, auf die das ausführende Unternehmen stolz ist. „Die Dimension und das Gewicht der eingesetzten Materialien und Geräte haben für den Wiener Hochbau neue Maßstäbe gesetzt“, betont Karl-Heinz Strauss, CEO der Porr AG. 

Der Baustoff Beton trägt zudem auch zu einer Verbesserung der Ökobilanz des neuen Gebäudes bei: Das Museum wird mittel einer thermischen Bauteilaktivierung in Kombination mit Geothermie geheizt und gekühlt. Durch den Einsatz von vorgefertigten Betonfertigteilen konnte man die Bauzeiten verkürzen und damit die CO2-Emissionen reduzieren. „Kürzere Bauzeiten sowie eine hohe Präzision bei der Ausführung können auch CO2-Emissionen im Bauprozess wesentlich reduzieren - genau hier liegt das Potenzial von Betonfertigteilen“, meint Alfred Trepka-Geschäftsführer Wieder.

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