Interview: Klare Worte

"Für die Baumeisterbetriebe wird 2025 sehr schwierig werden"

Konjunktur
21.08.2024

Michael Wardian, Geschäftsführer der Kirchdorfer Gruppe, findet im Interview mit der Bauzeitung „Klare Worte“: Er erläutert, wie die Flaute am Bau hätte vermieden werden können und was nun auf das Baugewerbe zukommt.
Kirchdorfer-Geschäftsführer Michael Wardian
Kirchdorfer-Geschäftsführer Michael Wardian.

Michael Wardian über die aktuelle Geschäftsentwicklung der Kirchdorfer Gruppe:

Unser Geschäft entwickelt sich je nach Segment unterschiedlich. Im Bereich Infrastruktur schaut es noch gut aus. Wir arbeiten am Ausbau der U2 in Wien und bei der Verlängerung des Wiental Kanals mit. Es ist uns gelungen, langlaufende Infrastrukturprojekte zu gewinnen, die uns eine solide Basis schaffen – nicht nur für heuer, sondern auch für die nächsten Jahre. Im Hochbau – und hier vor allem im Wohnbau – ist die Situation anders. Jeder der im Wohnbau tätig ist, weiß, wovon ich rede. Es wird kaum jemand geben, der heuer die gleichen Zahlen vorweisen kann, wie in den Jahren zuvor, in denen wir alle Rekordergebnisse erzielt haben. Angesichts dieser Rahmenbedingungen sind wir heuer in der Kirchdorfer Gruppe, national wie international insgesamt gut unterwegs.  

Gegen Besachwaltung der Banken

Warum der Wohnbau so stark eingebrochen ist, und was daran bezeichnend für Österreich ist:

Die Rahmenbedingungen haben sich fundamental geändert. Hier sind natürlich die zehnmaligen Zinserhöhungen zu nennen. Aber die halte ich persönlich für weniger dramatisch als die Besachwaltung der österreichischen Banken durch die KIM-Verordnung, die ihnen restriktive Vorgaben bei der Vergabe von Immobilienkrediten macht. Eine derartige Verordnung gibt es in anderen Ländern nicht. Sie hat zum Abwürgen des privaten Wohnbaus geführt. Das war eine Vollbremsung. Man hat in der Zwischenzeit einige Korrekturen vorgenommen. Aber die reichen nicht aus. Und das Ganze ist bezeichnend für die Vorgangsweise in Österreich: Erst verbieten wir praktisch das Bauen. Dann machen wir Ausnahmeregelungen, damit doch noch irgendetwas geht, ohne dass das viel bringt.

Wie man die Wohnbaukrise vermeiden hätte können:

Man hätte viel früher reagieren müssen, indem man die KIM-Verordnung abschafft oder drastisch entschärft. An warnenden Stimmen aus der Bauwirtschaft, Banken und Politik hat es nicht gefehlt. Aber das wollte man nicht hören. 

Was er sich vom Wohnbaupaket der Regierung erwartet:

Das Wohnbaupaket der Regierung ist zu spät gekommen und wäre auch nicht notwendig gewesen, wenn die KIM-Verordnung an die Zinssatzentwicklung gekoppelt worden wäre. Wichtig wird es sein, dass dieses Paket auch tatsächlich bei den heimischen Unternehmen ankommt, um die wirtschaftlichen Herausforderungen durch hohe Lohnstückkosten zu überwinden. Die Nachbarländer beziehungsweise deren Unternehmen drängen stark in die heimischen Regionen. Die Umsetzung ist am besten anhand der echten Zahlen zu beurteilen, die Erwartungshaltung dahingehend ist nicht allzu hoch.

Warum das dicke Ende erst noch kommt:

Die Baubewilligungen im Wohnbau sind in Österreich dramatisch eingebrochen. Das wird sich natürlich in den nächsten Jahren auf die Fertigstellungen auswirken. Das dicke Ende kommt erst noch: Für 2025 und 2026 wird mit rund 37.000 Fertigstellungen gerechnet.  Zum Vergleich: Im Rekordjahr 2022 waren es 77.000. In den Jahren davor um die 70.000. Vor 2026 rechne ich nicht mit einer echten Erholung.

Was das für Baukonzerne und Baugewerbe bedeutet:

Die großen Baukonzerne werden das besser verkraften können. Sie sind breit aufgestellt und kommen derzeit gut über die Runden. Aber für die Baumeisterbetriebe wird 2025 sehr schwierig werden. Hier wird es sehr wichtig sein, den Fokus auf das Kostenmanagement zu legen.

Was er sich von der Politik wünscht:

Wir schaffen nicht genügend Wohnraum. Soweit ich das wahrnehme, ist das gesellschaftlich und medial nicht besonders relevant. Wenn Sie heute auf einen Baukongress fahren, drehen sich 90 Prozent der Vorträge um das Thema Nachhaltigkeit. Das ist ein sehr wichtiges Thema. Aber das Thema Wohnraum auch: Die Menschen brauchen leistbaren Wohnraum. Wir haben viele junge Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die sich gerne ein Eigentum schaffen wollen.  Bei den heutigen Rahmenbedingungen ist das fast unmöglich. Hier muss die Politik dringend handeln.  Sonst ist der soziale Frieden auf Dauer gefährdet.

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