Im Brennpunkt
ESG: Nachhaltig Ruhe bewahren
Es kommt einem schon fast vor wie bei den Fantastischen Vier, nur weniger tanzbar: ESG, EDP, SDGs, CBAM oder EUDR – mit freundlichen Grüßen aus dem Bürokratieuniversum. Verständlich, dass bei dem mittlerweile etwas abgenutzten Begrifflichkeiten rund um das Thema Nachhaltigkeit viele Unternehmen die Nase rümpfen: Zu oft gehört, zu aufwändig, zu sehr riecht alles nach Greenwashing von und für Großkonzerne. Allerdings werden Nachhaltigkeitsziele auch für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in Zukunft wesentlich werden – und zwar komplett unabhängig von der Betriebsgröße.
Frühe Auseinandersetzung
Tischlerbetriebe, die sich nicht früh genug mit dem Thema auseinandersetzen, können im schlimmsten Fall das Nachsehen haben. Aber alles der Reihe nach: Als inhaltlichen Schirm für all diese Begriffe (siehe Kasten) gelten die Sustainable Development Goals, kurz SDG, die von allen UN-Mitgliedsstaaten bis 2030 erreicht werden sollen. Die SDGs sind also ein riesiges Rahmenwerk, das parallel zum Pariser Klimaabkommen – auch als Green Deal bekannt – dafür sorgen soll, dass der Planet geschützt, Armut beendet und Frieden und Wohlstand für alle Menschen gesichert wird. Eine gerechtere und bessere Zukunft für uns alle – was als Ziel in ein paar Sätzen erklärbar ist, braucht ein umfassendes Regelwerk, damit diese Herkulesaufgabe auch stemmbar ist. Alleine im Green Deal wurden bis dato schon hundert Gesetze besprochen, die konkrete Umsetzung ist zwar in vielen Fällen Ländersache, aber trotz allem bindend.
„No ESG, no money“
Die nächste Abkürzung – ESG – steht für Environmental, Social, and Governance (zu Deutsch: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) und bezieht sich auf eben diese drei zentralen Faktoren zur Messung der Nachhaltigkeit sowie die gesellschaftlichen Auswirkungen einer Investition, die ein Unternehmen oder eine Organisation tätigt. „Dieses Rahmenwerk wurde aus der Finanzwirtschaft übernommen – Firmen, die gute ESGs vorweisen können, sollen in Zukunft bei Kreditvergaben bevorzugt werden oder von besseren Zinskonditionen profitieren können“, erläutert Gerhard Jannach, Experte und Berater im Bereich CSRD & ESRS. „Es geht also konkret darum, Finanzströme zu besonders nachhaltigen Unternehmen umzuleiten.“ Jannach bringt gemeinsam mit seiner Kollegin Daniela Fuks im Rahmen ihres Beratungsunternehmens „EasyESG“ Licht ins Dunkel. Als Berater*innen-Tandem mit hoher Expertise und Holzwirtschaft-Background wissen sie, womit die Betriebe aktuell zu kämpfen haben. „Diese Themen sind angekommen und verschwinden auch nicht mehr von der Bildfläche – auch Tischlerbetriebe müssen sehr ernst nehmen, was auf sie zukommt“, so Fuks. „Gleichzeitig ist es wichtig, Ruhe zu bewahren und ins Tun zu kommen. Wer sich jetzt damit auseinandersetzt, ist nicht nur gut beraten, sondern im Optimalfall auch auf der sicheren Seite“.
Schneeballeffekt
Steckt man jetzt allerdings den Kopf in den Sand, kann das mitunter rasch ungünstige Folgen haben. Wenn beispielsweise ein Großunternehmen bei einer Tischlerei ein Möbel in Auftrag gibt, muss der Betrieb im Zweifelsfall darüber berichten, wie hoch der CO2-Abdruck ist, den dieses Möbel verursacht hat. Die ganze Lieferkette muss nachvollziehbar sein – und dabei ist es komplett egal, wie groß oder klein das Unternehmen ist, das zuliefert. In dem beschriebenen Fall hat das Großunternehmen zwei Möglichkeiten: Entweder es zieht die Tabelle des Umweltministeriums zu Rate, hier werden pauschalierte Werte angegeben, die im Zweifelsfall aber nicht ausreichen. Oder aber das Großunternehmen fordert von der Tischlerei eine Rechnung mit den genauen Angaben zum CO2-Abdruck des produzierten Produkts. „Freilich kann der Tischlerbetrieb auf Aufträge dieser Art verzichten, das ist eine unternehmerische Entscheidung. Die Frage ist nur, wie lange das gut gehen wird“, so Janach. Auch der so genannte CO2-Grenzausgleichsmechanismus wird ein Thema werden – hier kommt die CBAM-Verordnung zum Tragen. „Wenn ich Waren aus dem EU-Ausland beziehe und dort die CO2-Ziele nicht eingehalten werden, muss ich als Unternehmen eine Ausgleichszahlung leisten – das gilt für alle Unternehmen“, so Jannach. Billigere Beschläge aus einem Nicht-EU-Land zu kaufen, kann mitunter also für den Tischler einen tiefen Griff ins Börserl bedeuten.
Holz ist nicht Holz
Regionalität ist in Sachen Holz ohnehin Trumpf – aber ganz unabhängig davon, woher der Rohstoff bezogen wird, gilt ab 30. Dezember 2024 die EUDR-Verordnung. Sie sorgt dafür, dass jedes Holzprodukt gekennzeichnet werden muss – vom Grundstück, wo der Baum gewachsen ist über die genaue Lokalisierung der Schlägerung bis hin zur rechtmäßigen Wahrung der Forstrechte. „Während große Unternehmen vor dem Weiterverkauf eine elektronische Sorgfaltserklärung inklusive Geolokalisierungs-Daten der ersten Entstehung des Baumes über jede Lieferung abgeben müssen, haben es KMU ein wenig leichter. Nichtstun ist allerdings auch hier keine Alternative“, so Fuks.
Selbst KMU müssen für bereits gültige Verordnungen z.B. die Referenznummern der Sorgfaltserklärungen der Vorlieferanten dokumentieren und an ihre Kunden weitergeben. Ein Unternehmen, dass davon auch betroffen ist, ist der Oberösterreichische Holzhändler Keplinger „ein Unternehmen, das sich aktiv mit diesem komplexen Themenfeld auseinandersetzt und eine Pionierrolle einnimmt“, sagt Daniela Fuks. Als zertifiziertes klimaneutrales Unternehmen muss der Holzhändler recht strengen Regulatorien gerecht werden „Gleichzeitig legt das Keplinger-Team einen gesunden Pragmatismus an den Tag, ist sehr gut vernetzt und informiert“, ergänzt Jannach. Gemeinsam mit den „easyESG“-Expert*innen und Techhouse – dem größten Österreichischen Innovations-Hub für die Holzwirtschaft – bietet Keplinger sogar Fortbildungsveranstaltungen für Kund*innen und Tischlereien an“, ergänzt Gerhard Jannach.
Das ist auch ein ganz grundsätzlicher Rat, den die beiden an die Betriebe haben: „Nicht alles alleine denken, nicht zu tief ins Thema eintauchen – Support holen und das Unternehmer*innennetzwerk nutzen. Wenn es um regulatorische Vorgaben wie CBAM oder EUDR geht, raten wir den Betrieben, sich zuerst einmal zu informieren: Wo liegen die Fristen, welche Fragen tauchen auf? Und dann Unterstützung holen.“ Das sei deshalb wichtig, weil es in diesen Bereichen wenige Grauzonen gebe. Anders sei es zum Beispiel bei der Lieferkettensorgfaltspflicht: „Hier gibt es mehr Spielraum, da raten wir zu Pragmatismus. Auf Fragebögen sind beispielsweise Rückmeldefristen oft sehr knapp bemessen – da kann man als KMU schon mal ins Schwitzen kommen. Hier gilt: Ruhe bewahren und ausfüllen, auch wenn es sich nicht in der vorgegebenen Zeit realisieren lässt. Hauptsache, die Zahlen werden geliefert“, erkärt Fuks.
Bewusstsein schaffen
Auch Bundesinnungsmeister Gerhard Spitzbart appelliert an die Betriebe, das Thema ernst zu nehmen: „Viele Betriebe glauben, sie brauchen das nicht – das Gegenteil ist aber der Fall. Natürlich sehen wir, dass das eine große Herausforderung werden wird. Wir arbeiten schon jetzt daran, unsere Mitglieder so gut als möglich zu unterstützten und werden uns zu diesen Themen noch einiges überlegen – auch mit konkreten Leitfäden für kleinere Betriebe.“ Auch seine beiden Töchter sind als SFK-Nachfolgerinnen im Betrieb mit dem Thema konfrontiert.
„Wir haben konkrete Anforderungen eines Großkunden und müssen nach allen Parametern Informationen liefern.“ Neben der Tatsache, dass von öffentlicher und unternehmerischer Seite volle Transparenz gefordert wird, sieht Spitzbart eine weitere Entwicklung – nämlich eine, die ausnahmslos alle Betriebe betrifft: „Auch die Kund*innen werden irgendwann verstärkt nachfragen, ob ihr gekauftes Möbel nach ESG-Kriterien produziert wurde – das ist nur eine Frage der Zeit.“ Die gute Nachricht: Gut aufgestellt und klar kommuniziert, kann die Null-Toleranz-Politik in Sachen Nachhaltigkeit auch als Marketinginstrument genützt werden – schließlich werden in Zukunft jene Unternehmen die Nase vorn haben, die belastbare Zahlen liefern können. Apropos Nase: All jenen, die diese jetzt noch immer rümpfen, hilft vielleicht die Metapher des Begründers des Nachhaltigkeitsbegriffs. Hans Carl von Carlowitz hat nämlich schon im frühen 18. Jahrhundert während einer Rohstoffkrise postuliert, dass immer nur so viel Holz geschlagen werden soll wie durch planmäßige Aufforstung wieder nachwachsen kann. Wenn das kein Ansporn ist!
Durchblicken & Durchatmen
SDG: Sustainability Development Goals. Nachhaltigkeitsziele, die von der UNO verabschiedet wurden und bis 2030 umgesetzt werden sollen.
ESG: Environmental, Social, and Governance. ESG-Kriterien werden zunehmend von Investoren, Unternehmen und Regulierungsbehörden genutzt, um nachhaltige Praktiken zu fördern und langfristige Werte zu schaffen.
EDP: Environmental Product Declaration. Zu Deutsch: Umweltproduktdeklaration. Dort werden die Umweltbelastungen erfasst, die mit der Herstellung und Nutzung eines Produktes entstehen – und zwar von der Herstellung der verwendeten Materialien und der Produktion des Produktes selbst über seine Nutzung bis hin zur Entsorgung oder Wiederverwertung.
CBAM-Verordnung: Waren, die im EU-Ausland unter hohem CO2-Ausstoß hergestellt werden, unterliegen zukünftig einem CO2-Zoll. Für Tischlerbetriebe kann das im Bereich Maschinenpark oder Beschläge wirksam werden.
EUDR: Produkte, die aus bestimmten Rohstoffen hergestellt und in der EU in Verkehr gebracht oder aus der EU exportiert werden, dürfen bei ihrer Herstellung keine Entwaldung oder Waldschädigung verursachen und müssen im Einklang mit den einschlägigen Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes hergestellt werden.
Mehr Infos und Support unter: www.easyesg.at