Vogelschutzglas

Transparenz und Vogelschutz

Vogelschutzglas
22.08.2024

Durch die Klima- und Umweltdebatte rückt auch das Thema Vogelschutz immer mehr in den Fokus. Gesetzliche Vorgaben und architektonische Planungen, die auf vogelfreundliches Bauen Rücksicht nehmen, sind aber leider rar. Dabei gibt es viele funktionale und ästhetische Möglichkeiten und Lösungen.
Obwohl sich Vögel vorwiegend optisch orientieren, können sie transparentes Glas nicht als Hindernis erkennen. Richtig ausgeführte Markierungen auf Glasflächen können Vögel aber gut vor Anprall schützen.
Obwohl sich Vögel vorwiegend optisch orientieren, können sie transparentes Glas nicht als Hindernis erkennen. Richtig ausgeführte Markierungen auf Glasflächen können Vögel aber gut vor Anprall schützen.

Glasarchitektur schafft Licht und Durchblick. Doch was für uns wohlig und wohnlich ist, ist für Vögel oft tödlich. Denn sie sind nicht in der Lage, Glas als Hindernis zu erkennen. Deshalb steuern sie Ziele an, die sich hinter durchsichtigen Scheiben befinden. Oder sie lassen sich von Spiegelungen täuschen und fliegen direkt darauf zu. Für viele Millionen Vögel jährlich bedeutet das den Tod. Und es werden laufend mehr, denn die Glasflächen wachsen.

Besondere Gefahrenquellen

Besonders fatal für Vögel sind Kombinationen, hinter denen man eigentlich keine Gefahr vermuten würde – wie Glasflächen in der Nähe von Bäumen. Studien zeigen, dass die Vegetation der unmittelbaren Umgebung von Bauwerken deutlich risikosteigernd ist. Deshalb sind die Bemühungen, durch urbane Begrünungsmaßnahmen auch Lebensraum für Vögel zu schaffen, kontraproduktiv, wenn damit nicht auch Maßnahmen gegen Vogelanprall einhergehen. 
Eine weitere Gefahrenquelle bilden Wasserflächen in Verbindung mit Bauwerken: Biotope, Flüsse oder Feuchtgebiete ziehen alle Arten von Vögeln an. Sowohl in deren Umgebung, aber auch in den Flugverbindungen dazwischen, kommt es zu einem erhöhten Risiko für Vögel – auch in geringen Höhen – auf transparente Hindernisse zu stoßen. "Glas wird in Bauwerken häufig mit Naturnähe assoziiert. Doch je naturnäher das Umfeld, desto problematischer werden Verglasungen. Exklusive Wohnformen und touristische Einrichtungen mit Panoramascheiben-Architektur können in entsprechender Umgebung besondere Risiken für Vögel erzeugen. Für die Abschätzung von Kollisionsrisiken müssen Fernwirkungen und Aktivitätsschwankungen über das Jahr hinweg einbezogen werden", wissen die Autor*innen der 2022 veröffentlichten Broschüre "Vogelfreundliches Bauen mit Glas und Licht", die von der Schweizerischen Vogelwarte Sempach in Zusammenarbeit mit Expert*innen aus Österreich und Deutschland herausgegeben wurde und das aktuelle, umfassende Standardwerk zum Thema darstellt.
Grundsätzlich ereignet sich der größte Teil der Vogelkollisionen bei Tageslicht in Höhe der ersten sechs Stockwerke, weil hier die Vogelaktivität am größten ist. Doch dazu kommt eine neuartige Gefährdung in der Nacht. "Eine weitere große Gefahrenquelle ist die Innenbeleuchtung, die massiv zunimmt – Stichwort Lichtverschmutzung", erklärt der österreichische Ornithologe  DI Martin Rössler, der an der Biologischen Station Hohenau-Ringelsdorf (Auring) Methoden zur Vermeidung von Vogelanprall erforscht und an der Schweizer Broschüre intensiv mitgearbeitet hat. Licht zieht Vögel an. Aus Amerika sind dramatische Beispiele bekannt, wo es zu Massenanflügen an beleuchtete Hochhäuser kam. Zudem können Zugvögel durch die künstlichen Lichtquellen von ihrem Flugweg abgebracht werden. 

Vogelfreundliches Bauen mit Glas

Bei all diesen Gefahrenquellen, die uns das Leben oft erleichtern oder bequemer machen, ist es aber durchaus möglich, vogelfreundlich zu bauen und dabei auf nichts zu verzichten. Martin Rössler fasst die Möglichkeiten kurz zusammen: "An erster Stelle steht die vogelfreundliche Planung der Gebäudestruktur, etwa gläserne Brücken zu vermeiden. Danach kommen vorgebaute Strukturen vor Glasflächen, sei es aus Verschattungs- oder aus Designgründen. Markierungen auf Glas sind die dritte Wahl."

Glasmarkierungen im Test

Wir wollen dennoch, weil es die einfachste Methode – auch für nachträglichen – Vogelschutz ist, hier auf die neuesten Erkenntnisse für wirksame Vogelschutzmarkierungen auf Glas eingehen. Dabei geht es vor allem um die Frage: Welche Markierungen können fliegende Vögel als Hindernis erkennen? Dem geht Martin Rössler in international anerkannten Versuchen in der Prüfanlage der Biologischen Station Hohenau-Ringelsdorf (Niederösterreich) nach. Dabei werden Prüfscheiben in Wahlversuchen – dem ONR-Versuch mit spiegelungsfreier Durchsicht oder dem WIN-Versuch unter Einbeziehung von Spiegelungen – mit Wildvögeln in einer Wahlversuchs-Anlage getestet. Die Tageslicht-adaptierten Vögel fliegen in einem 7,5 Meter langen Flugtunnel auf zwei nebeneinander im Freien stehende Scheiben zu, von denen eine mit einer Prüfmarkierung versehen ist und die andere eine für alle Versuche konstant gehaltene Glasscheibe ohne Markierung ist. Natürlich werden die Vögel von einem speziellen Netz, dessen feine Maschen vom Vogelauge optisch nicht wahrgenommen werden, unmittelbar vor der Kollision abgefangen und danach sofort wieder in die Freiheit entlassen. Für die Auswertung wird die Videoaufzeichnung der Testflüge herangezogen.
Nach dem weit anerkannten "Hohenauer Bewertungsschema" werden die getesteten Markierungen der Glasscheiben in vier Kategorien klassifiziert. Nur wenn sich höchstens zehn Prozent der Testvögel für die markierte Scheibe entscheiden, handelt es sich bei dem Muster um eine empfohlene "hoch wirksame" Markierung.

Gut kontrastierende horizontale Streifen werden ab 3 mm Breite ausreichend gut wahrgenommen, bei vertikalen Streifen gelten 5 mm als Mindestbreite. Für Punkte liegt das Minimum bei 9 mm Durchmesser.

"Vogelfreundliches Bauen mit Glas und Licht"

Wirksame Markierung von Glasflächen

Was wirkt nun gegen Vogelschlag? "Als Grundkomponenten kommen Größe, Abstand und Kontrast und eventuell auch die Form der Markierungselemente in Betracht", beschreibt die Broschüre der Vogelwarte Sempach. "Bei der Größe der Elemente sind die optische Auflösung des Vogelauges und der 'Bremsweg', also die Distanz zum Hindernis, sowie Geschwindigkeit und Reaktionszeit der Vögel ausschlaggebend." Gut kontrastierende horizontale Streifen werden laut den Expert*innen ab 3 mm Breite ausreichend gut wahrgenommen, bei vertikalen Streifen gelten auf Basis der Untersuchungsergebnisse 5 mm als Mindestbreite. Für Punkte liegt das Minimum bei 9 mm Durchmesser. Plus: Je geringer der Kontrast, desto größer müssen Streifenbreite bzw. Punktdurchmesser sein.
Dabei können Markierungen auf stark spiegelnden Scheiben kaum starke Kontraste erzeugen. Umgekehrt können aber metallisch reflektierende Markierungen wegen ihrer extremen Helligkeit besonders starke Kontraste erzeugen. "Sie können bereits bei unter einem Prozent Flächenbedeckung eine hohe Wirksamkeit erzielen", erklärt Martin Rössler.

Aktuelle Entwicklungen bei Vogelschutzgläsern

Trotzdem wollen wir uns nichts vormachen: "Eine Reduktion von Vogelanprall ganz ohne Veränderung der visuellen Eigenschaften von Glas ist nicht möglich", wissen die Expert*innen. Aber die Entwicklungen gehen in die richtige Richtung: wirksamer Vogelschutz mit dezenteren Markierungen. "Durch physikalische und prozesstechnische Forschung und Entwicklung im Zusammenwirken mit wissenschaftlicher Ornithologie findet derzeit ein Entwicklungsschub statt, der jährlich neue Ideen und Konzepte aufs Glas bringt oder bereits geprüfte Markierungen schrittweise verbessert."
Metallische Beschichtungen: Dazu gehören, basierend auf den Ideen eines Teams der NSG Pilkington Gruppe, metallische Beschichtungen. NSG Pilkington entwickelte Streifenmuster aus extrem dünnen metallischen Beschichtungen auf der Außenseite der Scheiben, die einen Einwegspiegel-Effekt erzeugen, der vom Innenraum aus kaum erkennbar ist. 2021 wurde mit "Pilkington AviSafe" eine als hoch wirksam eingestufte Variante auf den Markt gebracht.
Auch die feinen Linien von "Ornilux design lines", einem Produkt von Isolar, wurden in Hohenau erfolgreich getestet und sind hoch wirksam gegen Vogelanprall. Bei "Ornilux design" wird ein neues Beschichtungsverfahren angewandt, welches das bisher eingesetzte Siebdruck-Verfahren ergänzt.
Punktraster: Die 9 mm großen Punkte, die bei "Seen Elements" in einem Abstand von 90 mm voneinander platziert sind, gelten ebenfalls als hoch wirksam. Die Folien können in neuen und auf bestehenden Glasflächen eingesetzt werden. Das Raster deckt in beiden Anwendungen weniger als 1 % der gesamten Glasoberfläche ab.
Punktreihen: Für die einfache Nachrüstung empfehlenswert sind auch die Vogelschutzfolien "Birdsafe" des deutschen Folienherstellers Haverkamp. Die mit einer Doppelpunktreihe bedruckte Vogelschutzfolie wurde in Hohenau erfolgreich auf ihre Effektivität geprüft und höchst möglich klassifiziert.
Wobei erwähnt werden muss, dass Nachrüstung immer teurer ist, als von vornherein vogelfreundliche Glasprodukte einzusetzen. Denn Nachrüstungsmaßnahmen müssen regelmäßig erneuert werden. Wenn Vogelschutzmaßnahmen also bereits in der Bauplanung berücksichtigt werden, sind sie am effektivsten – für Bauherr*innen und für Vögel.

Hinweis:
Die Broschüre "Vogelfreundliches Bauen mit Glas und Licht" kann hier kostenlos downgeloadet werden. 
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Vogelfreundliches Bauen mit Glas auf einen Blick

Problematische Glasflächen vermeiden:

  • keine freistehenden transparenten Scheiben
  • keine hochgradig spiegelnden Glas- oder Metallelemente
  • keine Eckverglasung oder große gegenüberliegende Scheiben mit Durchsichten
  • Verwendung von transluzentem Glas, Profilglas, Glasbausteinen
  • Verwendung von Fassadenverkleidung aus fest installierten Lamellen, Holzlattungen oder Metallgittern

Glasflächen wirksam markieren:

  • Verwendung von geprüften "hoch wirksamen" Markierungen
  • bei freistehenden Glaswänden Markierungen auf beliebiger Seite
  • wenn Spiegelungen auftreten, Markierungen grundsätzlich an der Außenseite der Scheibe (Ausnahmen entsprechend den Prüfberichten zu den als "hoch wirksam" getesteten Produkten)
  • Markierungen müssen sich kontrastreich vor dem Hintergrund abheben (bewährt haben sich Schwarz, Weiß, Orange, Rot und Silbermetallisch)
  • bei geringer Kontrastwirkung (z. B. semitransparente Folien) liegt der erforderliche Deckungsgrad bei 20 % bis 25 %
  • Kriterien für hoch wirksame Markierungen, bei maximalem Kontrast:
         -  horizontale Linien: mind. 3 mm breit, bei 50 mm Kantenabstand
         -  vertikale Linien: mind. 5 mm breit, bei 100 mm Kantenabstand
         -  schwarze Punkte: mind. 10 mm Durchmesser, im 90 mm-Raster
         -  metallisch-reflektierende Punkte: mind. 9 mm Durchmesser, im 90 mm-Raster
  • die Markierung muss sich über die gesamte Glasfläche erstrecken
  • nur geprüfte Markierungen gewährleisten hoch wirksamen Vogelschutz!

Quelle: "Vogelfreundliches Bauen mit Glas und Licht"

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Glas Architektur